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Ausstieg aus dem Schwänzekürzen bei Schweinen

Der Ausstieg aus dem Schwänzekürzen von Schweinen ist tierschutzrechtlich notwendig, Wer sich mit der Thematik nicht auskennt, wird vielleicht sagen, das kann doch nicht so schwer sein, ist es aber leider. Viele Dinge müssen berücksichtigt werden, damit die Schweine nicht anfangen, an den Schwänzen zu beißen und ggf. den Artgenossen erhebliche Schmerzen oder Leiden bis hin zu tödlich endenden Verletzungen zuzufügen . Ein Ausstieg aus dem Schwänzekürzen muss aber das Ziel sein. Daher wurde ein nationaler Aktionsplan erstellt. Diesen hat die Tierärztin Frau Anne-Claire Berentsen vom Niedersächsischen Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz wie folgt gut zusammengefasst:

Nationaler Aktionsplan zum Ausstieg aus dem routinemäßigen Schwanzkupieren bei Schweinen:

Was sind die Konsequenzen für Schweinehalter und Tierärzte?

Das routinemäßige Kupieren von Schwänzen bei Saugferkeln ist nach europäischem Recht bereits seit 1994 verboten. Tatsächlich wird jedoch in den meisten europäischen Mitgliedsstaaten nahezu flächendeckend kupiert. Deshalb hat die EU-Kommission 26 Mitgliedsstaaten, hierunter auch Deutschland, aufgefordert, einen Aktionsplan mit verbindlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechtsvorgaben vorzulegen.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß EU-Recht dürfen die Schwänze der Schweine nicht routinemäßig, sondern nur dann kupiert werden, wenn Verletzungen an den Schwänzen und Ohren anderer Schweine entstanden sind. Zudem müssen, bevor ein Kupieren der Schwänze vorgenommen wird, andere Maßnahmen getroffen werden, um Schwanzbeißen und andere Verhaltensstörungen zu vermeiden, wobei Unterbringung und Bestandsdichte zu berücksichtigen sind (RL 2008/120/EG Anhang 1 Kap. 1 Nr. 8).
Auf nationaler Ebene wird diese Rechtsvorgabe im Tierschutzgesetz (TierSchG) umgesetzt. Das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen ist grundsätzlich verboten (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 TierSchG). Das Verbot gilt nicht, wenn der Eingriff im Einzelfall für die vorgesehene Nutzung des Tieres zu dessen Schutz oder zum Schutz anderer Tiere unerlässlich ist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG). Die Unerlässlichkeit des Eingriffs ist der zuständigen Behörde auf Verlangen glaubhaft darzulegen (vgl. § 6 Abs. 5 TierSchG).
Mit dem Begriff „Unerlässlichkeit“ stellt der Gesetzgeber klar, dass Tiere nicht durch Vornahme einer Amputation einem vielleicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen zweckmäßigen Haltungssystem angepasst werden dürfen, sondern dass mit Vorrang die Haltungsbedingungen geändert werden müssen (Bundestagsdrucksache 10/3158, S. 21). Konkret bedeutet dies, dass Schweinehalter Haltungsbedingungen und Management in ihrem Betrieb in einem kontinuierlichen Prozess von Maßnahmen so lange verbessern müssen, bis die Haltung von Schweinen mit unkupierten Schwänzen möglich ist.

Druck seitens der EU

Die für den Tierschutz zuständige Generaldirektion der EU-Kommission (EU KOM) hat sich als Schwerpunktthema für die nächsten Jahre die Schweinehaltung mit Fokus auf Reduzierung des Schwanzkupierens vorgenommen. In diesen Zusammenhang hat die EU KOM 26 Mitgliedsstaaten einschließlich Deutschland aufgefordert, einen Aktionsplan vorzulegen, in dem verbindlich festgelegt wird, wie diese Rechtsvorgaben künftig eingehalten werden.
Parallel hierzu wurden in den Jahren 2017 und 2018 die Niederlande, Spanien, Dänemark, Italien und Deutschland durch die EU KOM auditiert. Dabei ist u.a. überprüft worden, wie die zuständigen Behörden sich die Unerlässlichkeit des Kupierens darlegen lassen und wie sie überwachen, ob es sich dabei tatsächlich um eine Ausnahme handelt. Als Ergebnis der Auditserie schlussfolgerte die EU KOM, dass in allen auditierten Ländern routinemäßig kupiert und somit gegen EU-Recht verstoßen wird.

Nationaler Aktionsplan

Der Nationale Aktionsplan für Deutschland wurde im September 2018 von der Agrarministerkonferenz beschlossen. Im ersten Teil des Aktionsplans wird aufgeführt, für welche nationale Rechtsvorgaben, die im Zusammenhang mit Risikofaktoren für Schwanzbeißen stehen, Konkretisierungsbedarf gesehen wird. Dies betrifft z. B. Rechtsvorgaben in Bezug auf Beschäftigungsmaterial, Schadgaswerte, Kühlung, Krankenbuchten und Sachkunde. Inwieweit hierzu nationales Recht angepasst werden muss, prüft zurzeit das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Der zweite Teil des Aktionsplans hat als Ziel, Rechtssicherheit sowohl für die schweinehaltenden Betriebe als auch für die zuständige Behörde zu schaffen, in dem aufgezeigt wird wie Betriebe nachvollziehbar darlegen können, warum das Kupieren auf ihrem Betrieb zurzeit noch unerlässlich ist und welche Optimierungsmaßnahmen eingeleitet wurden, um die Haltungsbedingungen zu verbessern.

Was kommt ab 2019 auf die Schweinehalter zu?

Option 1: Betriebe, die kupieren bzw. kupierte Schweine halten:

Diese Betriebe müssen bis zum 1. Juli 2019 einen Nachweis über die entstandenen Schwanz- und Ohrenverletzungen (bei kupierten Schweinen) erbringen, eine Risikoanalyse im Hinblick auf Schwanzbeißen durchführen und geeignete Optimierungsmaßnahmen einleiten.
Die Risikoanalyse muss gemäß einer Empfehlung der EU KOM folgende Einflussbereiche abdecken: Beschäftigung, Stallklima, Gesundheit, Wettbewerb um Ressourcen, Ernährung, Struktur und Sauberkeit der Bucht. Im Aktionsplan ist eine Risikoanalyse enthalten, die diese Anforderungen erfüllt. Zudem wird aufgezeichnet, wie Verletzungen erfasst werden können. Alternativ kann die Risikoanalyse auch mittels des Schwanzbeiß-Interventionsprogramms (SchwIP) des Friedrich Löffler Instituts erfolgen.
Treten in einer Produktionsstufe (Saugferkel, Aufzuchtferkel, Mastschweine) im Mittel eines Jahres bei mehr als 2% der Schweine Schwanz- und Ohrverletzungen auf, darf zunächst weiter kupiert werden, jedoch müssen parallel geeignete Optimierungsmaßnahmen eingeleitet werden, um das Schwanzbeißrisiko im Bestand zu reduzieren. Diese Optimierungsmaßnahmen müssen über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehen und sich nach dem Ergebnis der oben genannten Risikoanalyse richten.

Option 2: Betriebe, die schrittweise in den Kupierverzicht einsteigen:

Treten in allen Produktionsstufen (Saugferkel, Aufzuchtferkel, Mastschweine) im Mittel eines Jahres bei weniger als 2% der Schweine Schwanz- und Ohrverletzungen auf, kann der Nachweis der Unerlässlichkeit nicht länger erbracht werden. Der Betrieb muss sich dann schrittweise an den Kupierverzicht herantasten und eine Kontrollgruppe mit unkupierten Schweinen halten. Zunächst müssen mindestens 1% der Mastschweine unkupiert gehalten werden. Treten bei diesen Schweinen Schwanz- und Ohrenverletzungen auf, so müssen weitere Optimierungsmaßnahmen eingeleitet werden. Treten keine oder nur wenige Verletzungen auf, muss die Anzahl der unkupierten Tiere schrittweise erhöht werden.

Die Tierhalter-Erklärung

In der Tierhalter-Erklärung gibt der Tierhalter an, welche Option gewählt wurde und bestätigt, dass in seinem Betrieb die notwendigen Maßnahmen durchgeführt wurden und die entsprechenden Nachweise vorliegen. Die Tierhalter-Erklärung ist ein Jahr gültig und dient dazu, die Unerlässlichkeit des Kupierens gegenüber der Behörde sowie vor- bzw. nachgelagerten Betrieben darzulegen. So darf beispielsweise ein Ferkelerzeuger, der im eigenen Betrieb weder bei den Saugferkeln noch bei den Aufzuchtferkeln Verletzungen nachweisen kann, die Ferkel nur dann kupieren, wenn ihm eine entsprechende Tierhalter-Erklärung des nachgelagerten Mastbetriebs vorliegt. Umgekehrt darf ein Mastbetrieb, der selbst keine Probleme mit Schwanzbeißen hat, nur dann kupierte Ferkel einstallen, wenn ihm eine entsprechende Tierhaltererklärung des Ferkelerzeugers bzw. Ferkelaufzüchters vorliegt. Dies gilt übrigens auch für den internationalen Ferkelhandel z. B. mit Dänemark und den Niederlanden. In beiden Nachbarländern werden zurzeit ähnliche Aktionspläne umgesetzt, Dänemark hat hierzu sogar eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen.


Informationen zum Aktionsplan, alle praxisrelevante Dokumente sowie eine beispielhafte Maßnahmentabelle mit geeigneten Optimierungsmaßnahmen sind unter nachfolgenden Links zu finden.

 

  

 

 

 

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